Eine längere Radtour wollte ich schon immer mal machen. Als ich letztes Jahr dann zwischen Ausbildungsende und neuem Job hing, habe ich es dann ziemlich spontan einfach gemacht. Ich hatte sechs Tage insgesamt Zeit, und nach einiger Überlegung kam ich auf die Idee, über die Alpen zu fahren. Die Strecke: Vom Bodensee nach Mailand.
Es gibt einige sehr bekannte Radtouren über die Alpen, zum Beispiel die Route Alpe Adria, die Via Claudia Augusta oder die Strecke von München nach Venedig. Allerdings sind die Touren alle etwas länger als ich Zeit hatte, und die Startpunkte sind von Stuttgart aus relativ weit weg. Da war der Bodensee im Vergleich fast ums Eck, mit der Regionalbahn bin ich ohne Probleme in zwei Stunden mit Fahrrad hingekommen. Vom Bodensee aus hatte ich dann die Wahl, nach der Via Mala entweder über den San Bernardino oder den Splügenpass zu fahren, ich habe mich für letzteren entschieden, weil der San Bernardino etwas länger war ich ich dann auch schneller am Comer See war. Es war meine erste Tour in der Art, da war ich mir noch nicht ganz sicher, wieviele Kilometer ich am Tag schaffe. Im Nachhinein hätte ich auch über den San Bernardino fahren können, die Zeit dazu hätte ich gehabt.
Vorbereitung? Welche Vorbereitung?
Dazu ist eigentlich nicht mehr viel zu sagen… Ich habe am Abend bevor es losgehen sollte Zugtickets bis Kressbronn gekauft (eigentlich bis Lindau, da war aber eine Baustelle), habe mein Hardtail MTB mit Gepäckträger und Satteltaschen ausgestattet und mein Campingzeug gepackt. Mein kleines Zelt, Schlafsack, Isomatte und Campingkocher, ein paar Wechselklamotten für (fast) jedes Wetter und Snacks für die Zugfahrt.
In Lindau habe ich dann nochmal einen kurzen Stopp bei einem Supermarkt gemacht und beim Baumarkt noch eine Gaskartusche gekauft. Während der Tour gab es dann Spaghetti und Pesto, Brot, Käse und Obst.

Am Abend vorher und während der Fahrt zum Bodensee habe ich mir ungefähr überlegt, wie ich die Etappen aufteilen will. Ich hatte fünf Tage Zeit, um vom Bodensee nach Mailand zu kommen, wo ich mich mit Carolina getroffen habe, die ich über Instagram kennengelernt habe. Im Internet habe ich nach kurzer Recherche einen Bericht über eine Tour bis zum Comer See gefunden, die drei Tage gedauert hat, also konnte ich die Sache ganz entspannt angehen.
Etappen
Kressbronn – Chur
105 Km
Am Bahnhof in Kressbronn bin ich gestartet. Die ersten Kilometer waren auf dem Bodenseeradweg, den ich vor Jahren schon einmal mit einer Gruppe gefahren bin. In Lindau war ich noch kurz einkaufen, dann ging es weiter nach Bregenz am Seeufer entlang bis zur Seebühne. Danach ging es auf dem Rheinradweg weiter, dem ich dann mehr oder weniger den Rest des Tages gefolgt bin, zuerst durch Österreich, später dann durch Liechtenstein und bis in die Schweiz. Das waren dann mal eben vier Länder an einem Tag. Der Radweg verläuft immer am Flussufer, ist sehr eben, obwohl es immer sehr leicht bergauf geht, und wird nach einer gewissen Zeit auch etwas langweilig, man fährt schließlich immer nur geradeaus. Kurz vor Chur habe ich dann mein Zelt aufgeschlagen und eine Kleinigkeit gegessen, am nächsten Morgen sollte es wieder früh losgehen.

Chur – Splügen
53 Km
Ich bin früh aufgestanden, mein Campingspot war glaube ich nicht ganz legal. Ich bin ganz entspannt in die Stadt gefahren, war nochmal kurz beim Supermarkt und habe in der Fußgängerzone gefrühstückt. Der Radweg folgt dann erstmal weiter dem Rhein bis Tamins, wo er nach Süden abknickt in Richtung Thusis. Hier geht es auch das erste mal etwas bergauf, bis in nach Thusis dann die Via Mala beginnt. Wirklich „schlecht“ ist die Straße nicht mehr, auch wenn sie noch so heißt, es geht eben nur die ganze Zeit mit konstanter Steigung die alte Passstraße hinauf. Von Thusis bis Splügen sind es insgesamt 1300 Höhenmeter, die man bewältigen muss.
Später erreicht man dann den Sufnersee, auf dessen linker Seite der Radweg entlangführt. Die letzten Meter bis Splügen sind dann kinderleicht.


Splügen – Colico
70 Km
Am nächsten Morgen war mir erstmal schlecht. Ich weiß nicht warum, entweder die Höhe, und schlecht gegessen, auf jedenfall lag ich morgens erstmal flach und bin deshalb nicht ganz so früh los. Es war auch besser so, denn heute fing es gleich richtig hart an. In Splügen startet der Pass, den man knapp 700 Höhenmeter in engen Serpentinen nach oben muss. Also einfach den ersten Gang rein, und strampeln was das Zeug hält. Ich hatte kein Glück mit dem Wetter, es war kalt und hat auf der Passhöhe sogar etwas geschneit. Der Weg nach oben war kein Problem, da habe ich mich durch das Treten warmgehalten, nach unten wurde es dann aber doch frisch. Damit habe ich nicht wirklich gerechnet, am Ende hatte ich alle Klamotten an, die ich dabei hatte. Meine Rettung war ein kleines Restaurant, das zum Glück offen hatte, zwei Tassen Tee und ein kleines Stück Kuchen, dann konnte es weitergehen.



Und was für eine Abfahrt: 1700 Höhenmeter nach unten, ohne ein einziges Mal in die Pedale treten zu müssen, macht schon Spaß. Bis nach Chiavenna ging es nur bergab, und die restlichen Kilometer zum Campingplatz am Comer See waren auch angenehm zu fahren.

Colico – Vassena
28 Km
Der nächste Tag war mein Entspannungstag. Ich musste erst am Tag darauf in Mailand sein und hatte dementsprechend noch mehr als genug Zeit für die restliche Strecke, dass ich an einem Tag mal nicht so viele Kilometer fahren musste. Also bin ich ganz entspannt an der Ostseite des Sees nach Süden gefahren, bis nach Varenna, ein kleines Örtchen am Ufer, wo ich auch kurz mein Fahrrad abgestellt habe und durchgelaufen bin. Dort habe ich eine Fähre nach Bellagio genommen, das direkt an der Gabelung des Comer Sees liegt. Am östlichen Zipfel bin ich dann weiter nach Süden bis zu einem Campingplatz direkt am Ufer gefahren, wo ich die Nacht verbracht habe.

Vassena – Mailand
60 Km
Die Strecke vom Comer See bis nach Mailand ist eher hügelig, alle paar Kilomeer kommt man durch ein Dorf oder eine Kleinstadt. So wirklich schön ist der Weg nicht mehr, ich bin auch viel auf der Straße gefahren. Kurz vor Mailand ist mir dann meine Gepäckträgerkonstruktion auseinander gebrochen, sodass ich alles provisorisch mit einem Spanngummi festbinden musste und die restlichen 15 Kilometer mit dem Zug gefahren bin.
In Mailand habe ich dann Carolina getroffen, wir waren zusammen Pizza essen, und am nächsten Tag ging es mit dem Zug zurück nach Stuttgart.
Die Rückfahrt
Ein kleines Abenteuer für sich.
Denn natürlich habe ich im voraus keine Rückfahrt gebucht.
Ich bin noch am gleichen Tag, an dem ich in Mailand angekommen bin, zum Bahnhof gefahren, um mich zu erkundigen, wie ich überhaupt mit Fahrrad zurück nach Deutschland komme, und natürlich wusste am Schalter niemand Bescheid. Also habe ich eine Art S-Bahn Ticket bis nach Chiasso an der italienisch-schweizer Grenze gekauft, in der Hoffnung, dass die schweizer Bahnmitarbeiter mehr wissen.
Dort angekommen (nachdem ich in Mailand natürlich den ersten Zug verpasst habe) bin ich direkt wieder zum Schalter, wo ich ungefähr 20 Minuten später mit ungefähr fünf Tickets in der Hand hatte. Mein eigenes Ticket, ein Fahrradticket für die Schweiz, eins für Deutschland, die Reservierung für mein Fahrrad, ein internationales Fahrradticket… ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr genau, die Dame am Schalter war auf jedenfall sehr kompetent und ich war sicher nicht der erste Radfahrer, den sie mit Tickets versorgt hat.
Ich bin dann von Chiasso nach Lugano, wo ich etwas Zeit hatte um einmal durch die Stadt zu laufen, und dann weiter nach Zürich. Im Zug habe ich dann noch drei andere Tourenradler getroffen, einer davon war 70 Jahre alt und kam gerade von der italienischen Mittelmeerküste mit Sack und Pack zurück. Das gab nochmal extra Motivation für viele weitere Touren!
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